Kasko Select im Fokus des LG Coburg

LG Coburg, Urteil vom 09.04.2015, AZ: 1 HK O 68/14

Das LG Coburg hat durch die dortige 1. Kammer für Handelssachen die HUK-COBURG verurteilt, „es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in ihrem Auftritt im Internet, oder sonst werblich Kunden zum Abschluss eines Kaskoversicherungsvertrages im Tarif Kasko SELECT (Vertrag mit Werkstattbindung) mit folgenden oder inhaltsgleichen Hinweisen aufzufordern, wenn für den Versicherungsvertrag die Bedingungen in Ziffer A.2.6.3.d AKB der Beklagten mit Ziffern E.3.5 sowie E.7.1 und E.7.2 AKB der Beklagten, Stand vom 01.04.2014, oder inhaltsgleiche Bedingungen gelten:

Was gilt, wenn Sie das Fahrzeug in einer anderen Werkstatt reparieren lassen? Haben Sie mit uns Kasko SELECT vereinbart und lassen Sie ihr Fahrzeug in einer anderen, von uns nicht ausgewählten Werkstatt reparieren, können wir unsere Leistung -je nach dem Grad des Verschuldens- kürzen oder streichen;

-    Bei grober Fahrlässigkeit leisten wir grundsätzlich 85 % (ohne Transportkosten)

-    Weisen Sie nach, dass Sie nicht grob fahrlässig gehandelt haben, leisten wir voll (ohne Transportkosten)

Weitere Informationen können Sie den Versicherungsbedingungen entnehmen.“

Das LG Coburg bejaht hier einen Unterlassungsanspruch gegenüber der HUK-COBURG und sieht in den gerügten Versicherungsvertragsbedingungen irreführende Angaben, da die HUK-COBURG durch die Verwendung des Begriffes „grundsätzlich“ eine zur Täuschung geeignete Angabe über ein wesentliches Merkmal der Dienstleistung macht.

„Bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irre zu führen, kommt es nicht auf dem objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage über die Ware oder die gewerbliche Leistung verstanden haben will. Entscheidend ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (BGHZ 156, 250, 252). Bei der hier gegebenen Werbung und Information über eine Pkw-Kaskoversicherung ist Maßstab der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der der Information oder Werbung die situationsangemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Da der Adressat somit das allgemeine Publikum ist, können die Mitglieder der erkennenden Kammer, die über hinreichende Sachkunde verfügen, diese Verkehrsauffassung selbst beurteilen.

Die beanstandete Aussage ist zumindest mehrdeutig und als solche irreführend, da die Gefahr besteht, dass sie von einem nicht völlig unerheblichen Teil des Verkehrs in einem den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Sinn aufgefasst wird.

Im Fall der Mehrdeutigkeit muss der Werbende die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen. Dabei ist ohne Bedeutung, ob es der Werbende auf die Mehrdeutigkeit angelegt hat oder nicht (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O„ Rdn. 2., 111 zu § 5).

Ein erheblicher Teil der Verkehrskreise wird den Begriff „grundsätzlich" dabei entsprechend der Auffassung der Beklagten als „im Allgemeinen" „in der Regel", also mit dem Vorbehalt bestimmter Ausnahmen, verstehen. Ein erheblicher Teil von Verbrauchern wird diese Begrifflichkeit jedoch mit der Bedeutung „ aus Prinzip" „ohne Ausnahme" (vgl. Duden) in Verbindung bringen.

In diesem Sinne verstanden ist die Information jedoch irreführend. Gerade auf Grundlage der Gesamtheit der Werbeaussage, die auf Vertragsbedingungen Bezug nimmt, wird ein Teil der durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher die Information so verstehen, dass die Beklagte zum einen stets bei grober Fahrlässigkeit mindestens 85 % der Versicherungsleistung erbringt und dies sich in den Vertragsbedingungen auch so widerspiegelt. Beides ist so nicht der Fall. So hat die Beklagte zum einen selbst vorgetragen, dass sie es sich vorbehält bei äußerst grob fahrlässigen Verhalten ihre Versicherungsnehmer weniger als 85 % zu erstatten. Zum anderen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass bei „Erstfällen" stets 85 % erstattet werden. Dies ergibt zwingend, dass bei sogenannten „Zweitfällen" gerade keine 85 % erstattet werden, obwohl auch in diesen Fällen naturgemäß auch ein lediglich grob fahrlässiges und nicht vorsätzliches Verhalten vorliegen könnte. Letztendlich ist dies jedoch ohne Belang. Die Information wird von einem Teil der Verbraucher eben auch so verstanden werden, dass ein Anspruch auf die Zahlung von 85 % in jedem Fall der groben Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Auswahl einer Werkstatt besteht. Auch nach dem Verständnis der Beklagten ist dies jedoch nicht der Fall. Die Vertragsbedingungen weisen jedenfalls die Möglichkeit auf, eine weit höhere Kürzung als 15 % in Fällen der groben Fahrlässigkeit vorzunehmen.

In diesem Sinn kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte tatsächlich bei sogenannten „Erstfällen" durchgehend bei grober Fahrlässigkeit lediglich eine Kürzung auf 85 % der Versicherungsleistung vornimmt. Ein vertraglicher Anspruch hierauf besteht ausweislich der vereinbarten Versicherungsbedingungen jedenfalls nicht. Dementsprechend weist die gerügte geschäftliche Handlung auch die notwendige Relevanz auf.“

Die Auffassung, die vorliegend bereits mehrfach durch den Unterzeichner auch öffentlich vertreten wurde, dass die Bedingungen der HUK-COBURG im Zusammenhang mit sogenannten Kasko-Select-Verträgen irreführend sind, wurde durch das LG Coburg bestätigt.

Abzuwarten bleibt, wie denn die HUK-COBURG mit dieser Entscheidung umgeht. Entweder trägt sie zu einer Klarstellung ihrer eigenen Vertragsbedingungen bei, indem sie diese neu formuliert, oder aber sie legt gegen die Entscheidung Berufung ein.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Entscheidung des LG Coburg noch nicht rechtkräftig.

Ganz gleich wie das Verfahren jedoch weitergeht, ist die Entscheidung des LG Coburg ein deutlicher Hinweis an Versicherer, den Versicherungsnehmer/ Kunden nicht durch unklare Formulierungen zu verunsichern.

Nur der aufgeklärte Versicherungsnehmer, dem der Sinngehalt des von ihm abgeschlossenen Versicherungsvertrages auch erkennbar ist, wird in der Lage sein, tatsächlich zu entscheiden, ob ein Vertrag mit Werkstattbindung für ihn eine sinnvolle Alternative darstellen kann.

Die bisherige Formulierung der HUK-Coburg ist hier jedenfalls nicht geeignet, diese Klarheit zu schaffen, so jedenfalls sieht es das LG Coburg.

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